Im Nordwesten - Die Proteste von Landwirten gegen Sparpläne der Bundesregierung gehen weiter: Für diesem Freitag ruft das Landvolk Niedersachsen zu einem „Brückentag“ auf, mit dem die weiterhin bestehende Ablehnung der Ideen der Ampelkoalition für Einsparungen im Agrarsektor deutlich gemacht werden soll. Man sei sich bewusst, dass die teilweise massiven Proteste der vergangenen Wochen mit Verkehrsbehinderungen durch Blockaden und Kolonnenfahrten auch für Verärgerung gesorgt habe. „Mit Blick auf die breite Zustimmung der Bevölkerung soll die Aktion zeitlich begrenzt sein“, wird Landvolkpräsident Dr. Holger Hennies zitiert. Am Freitag sollen Schlepper deshalb in Niedersachsen „an verkehrsneuralgischen, gut sichtbaren Punkten“ stehen, zum Beispiel auf Autobahnbrücken. „Es geht dabei nicht um Blockade“, so Hennies weiter – man wolle aber zeigen, dass es keine Akzeptanz für das geplante Aus der Agrardiesel-Subvention und anderer Einschränkungen gebe.
Verkehrsbehinderungen zur Mittagszeit
Welche Aktionen im Einzelnen geplant werden, konnte das Landvolk auf Anfrage nicht sagen. Verkehrsteilnehmer im gesamten Nordwesten müssten am Freitag vereinzelt mit Verkehrsbehinderungen rechnen – speziell zur Mittagszeit. „Weil es thematisch aus unserer Sicht fünf vor zwölf ist, ist angedacht, von 11.55 Uhr bis 12.05 Präsenz zu zeigen. Unter anderem auf Autobahnbrücken“, hieß es gegenüber dieser Zeitung. Verlässliche Zeiten, Adressen oder Größe von Treckerkolonnen könne man im Vorfeld aber nicht nennen. Für den Raum Vechta bestätigte Christoph Friederich vom örtlichen Kreislandvolkverband eine Teilnahme an der Aktion: „Es wird keine tagesfüllenden Proteste geben, aber zur Mittagszeit werden Schlepper unter anderem in Holdorf, Dinklage und Neuenkirchen-Vörden an der Autobahn stehen.“
Landvolk warnt vor Falschmeldungen
Auffallend ist, dass Aktionen zunehmend dezentral organisiert werden. „Der Protest verselbstständigt sich“, bestätigte Carl Noosten, Vizepräsident des Landwirtschaftlichen Hauptvereins Ostfriesland „Es werden Fahrten stattfinden, aber eine große Blockade würde allein deshalb schwierig, weil so viele Kollegen in Berlin sind.“ In der Bundeshauptstadt – wo aktuell auch die Agrar- und Ernährungsmesse „Grüne Woche“ stattfindet – seien Mahnwachen vor den Büros mehrerer Abgeordneter geplant, weil das Gesetzgebungsverfahren zum Bundeshaushalt 2024 in der kommenden Woche endgültig entschieden wird. Die Agrarbranche, so Noosten, müsste jetzt aber aufpassen: „Wir müssen genau hinsehen, wer da in unserem Namen auf den Straßen unterwegs ist, denn Aktionen werden auch von Menschen angemeldet, die gar keine Landwirte sind.“ Es kursierten demnach verschiedene Falschinformationen, sogar mithilfe von künstlicher Intelligenz generierte Videos über unterstützende Treckerkolonnen aus Russland seien im Umlauf. Noosten: „Man kann wirklich keinem Bild mehr trauen, ohne es zu verifizieren.“
Mögliche Lösungen liegen in Berlin vor
Auch die Kreislandvolkverbände Wesermarsch und Friesland, die mit ihren Vorsitzenden Lars Kaper (Friesland) und Dr. Karsten Padeken (Wesermarsch) auf der Grünen Woche am Mittwoch beim „Niedersachsenabend“ vertreten waren, folgen dem Protestaufruf des Landesverbands. In einer gemeinsamen Erklärung kündigten sie an, sich regional am ausgerufenen „Brückentag“ zu beteiligen und weiter für auskömmliche Bedingungen in der Landwirtschaft zu protestieren. Es mangele nicht an möglichen Lösungen: Ein von Finanzminister Christian Lindner (FDP) ins Spiel gebrachter Entlastungsvorschlag würde die Wiedereinführung der sogenannten steuerlichen Gewinnglättung vorsehen. Damit könnten Gewinne und Verluste aus mehreren Jahren verrechnet werden, um Schwankungen am Markt auszugleichen. „Davon könnten alle landwirtschaftlichen Betriebe profitieren, daher ist das für uns eine gangbare Alternative“, sagte Lars Kaper in der Erklärung. „So eine Regelung müsste aber zeitnah beschlossen werden, damit Mehrkosten durch eine höhere Dieselbesteuerung ausgeglichen werden und unsere Betriebe insgesamt wettbewerbsfähig bleiben“, ergänze Karsten Radecken.